Helga Maria Craubner
Leben wie Musik
Ein Blog für feinsinnige Menschen und Freigeister, die sich nach innerer Klarheit, Ausdruck und schöpferischem Leben sehnen.
Über Anfänge – und das, was sie in Bewegung setzt
Randbemerkungen zu einem alten Wort
Es gibt Wörter, die eine ganze Haltung in sich tragen. Eines davon ist "Anfang".
Das Wort stammt aus dem Althochdeutschen anafāhan, belegt schon im 9. Jahrhundert. Darin steckt fāhan – „fangen“. Etwas greifen, ergreifen, anfassen.
Ein Anfang war also ursprünglich kein Zustand, sondern eine Handlung: ein Moment, in dem jemand etwas in die Hand nimmt. Ich mag diesen Gedanken. Denn darin liegt Tatkraft. Ein Anfang geschieht nicht von selbst – jemand fasst an, nimmt etwas auf, bringt Bewegung in das, was vorher ruhte.
Vom „Urheber“ zum „Neuling“
Auch das Wort Anfänger hat eine erstaunliche Geschichte.
Im 14. Jahrhundert bezeichnete es noch den „Urheber“, den „Gründer“, jemanden, der etwas ins Leben ruft. Erst hundert Jahre später wurde daraus der „Lernende“, der „Neuling“. Ein feiner Wandel: vom schöpferischen Ursprung zur tastenden Erfahrung. Vielleicht brauchen wir beides – das Mutige und das Suchende.
Anfang, Beginn oder Start?
Heute benutzen wir viele Wörter für denselben Moment: Anfang, Beginn, Start.
Und doch klingen sie unterschiedlich.
„Anfang“ hat etwas Erdiges, Greifbares – eine Geste.
„Beginn“ wirkt sachlicher, wie ein Taktstrich.
„Start“ dagegen klingt nach Bewegung, nach Beschleunigung, ein Kind des Industriezeitalters, im 19. Jahrhundert aus dem Englischen übernommen.
Vielleicht verrät schon unsere Wortwahl, wie wir selbst in Bewegung kommen: leise und tastend, strukturiert und planend – oder voller Schwung.
Eine kleine Einladung
Wie benutzt du diese Worte?
Und wie beginnst du selbst – etwas Neues, Ungewohntes, vielleicht Unfertiges?
Manchmal genügt es, ein Wort zu betrachten, um sich daran zu erinnern, dass jedes Anfangen ein Akt des Lebens ist.



